Jan-Christoph Oetjen im Gespräch mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann
20.3.25

Jan-Christoph Oetjen im Gespräch mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Jan-Christoph Oetjen: Liebe Marie-Agnes, wir starten gleich mal mit der alles entscheidenden Frage: Wie wehrhaft ist Europa?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Das Spiegel-Magazin hat Anfang der 1960er über die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr getitelt: bedingt abwehrbereit. Das trifft auch auf Europa zu. Die Mitgliedsstaaten haben nach 1989 ihre Armeen verkleinert, regelrecht kaputtgespart. Niemand wollte mehr viel Geld in die eigenen Armeen stecken. Angesichts der unvorstellbaren Bedrohung durch Russland und verschiedener Krisenherde in unserer südlichen Nachbarschaft, steht Europa enorm unter Druck. Es hat sich schon viel verändert, was vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Erstmals in der Geschichte der EU gibt es einen Kommissar für Verteidigung; erstmals gibt es im Europäischen Parlament einen eigenständigen Verteidigungsausschuss. Ich bin bei aller Komplexität der Herausforderungen optimistisch, dass die EU dies gemeinsam mit anderen Staaten Europas willens und zu leisten im Stande ist.

 

Jan-Christoph Oetjen: Wir Freien Demokraten tun uns ja schwer mit "Politik auf Pump". Aber um große Verteidigungsausgaben kommen wir national wie europäisch nicht herum. Wie stehst du zu den von der Leyen-Schuldenplänen?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Wir müssen mehr in unsere Verteidigung investieren. Das ist unabdingbar. Deshalb unterstütze ich grundsätzlich den von der Kommission vorgeschlagenen „ReArm Europe“-Plan.  Wir dürfen aber nicht alle haushälterischen Grundsätze über Bord werfen und unbegrenzt Schulden machen. Die Kommissionspräsidentin hat vorgeschlagen, die nationale Ausweichklausel im Stabilitäts- und Wachstumspakt zu aktivieren, um kurzfristig den notwendigen finanziellen Spielraum für Verteidigungsinvestitionen zu schaffen. Es gibt einige Mitgliedsstaaten, die bereits jetzt hoch verschuldet sind. Frankreichs Schuldenquote zum Beispiel lag 2023 bei 110 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung. Der Euro ist die zweitwichtigste Währung weltweit. Einen instabilen Euro können und dürfen wir uns deshalb nicht leisten. Ansonsten droht der Eurozone eine hohe Inflation und ein schlechtes Rating auf dem internationalen Finanzmarkt. Europa muss durch Entbürokratisierung und die Vereinfachung von Regeln wieder wettbewerbsfähig werden. Ich begrüße es, dass die Mitgliedsstaaten der EU der Europäischen Investitionsbank ermöglichen, ihre Investitionskriterien anzupassen, um in Zukunft mehr und direkt auch in militärische Fähigkeiten investieren zu können.

Jan-Christoph Oetjen: Was würden wir Freien Demokraten besser machen?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Wir sollten in der Lage sein, mit weniger als den 800 Milliarden Euro Schulden zurecht zu kommen. Dazu braucht es umgehend mutige Strukturreformen. Wir müssen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern. Wir können die Verteidigungsindustrie auch stärken, indem wir ihr den Zugang zu privaten Kapital ermöglichen. Dazu müssen wir endlich die Europäische Kapitalmarktunion vollenden. Denn, wenn wir die Kapitalmärkte der EU-Mitgliedstaaten stärker integrieren und harmonisieren, verbessert das die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen und erleichtert Investitionen.

Jan-Christoph Oetjen: Was sind aus deiner Sicht die drei nächsten unerlässlichen Schritte für die EU in der Verteidigungspolitik?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Durch eine verstärkte gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern könnten europäische Staaten Fähigkeitslücken schließen und durch Synergieeffekte gleichzeitig Kosten senken. Eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie würde zudem die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft europäischer Hersteller stärken, indem bürokratische Hürden abgebaut und einheitliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ziel ist es, die Abhängigkeit von den USA schrittweise zu verringern. Wir müssen den europäischen Pfeiler in der NATO stärken, ohne dabei die NATO-Partnerschaft zu gefährden.  Europa sollte langfristig eigenständiger und widerstandsfähiger in sicherheitspolitischen Fragen agieren können.

 

Jan-Christoph Oetjen: Und zu guter Letzt: welche Unterschiede hast Du festgestellt zwischen dem Verteidigungsausschuss im Bundestag und dem im Europäischen Parlament?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Im Verteidigungsausschuss im Bundestag sind die Mitglieder verantwortlich für die Bundeswehr. Da Europa keine gemeinsame Armee hat, ist die Arbeit im Ausschuss auch eine andere. Wir sind primär dafür verantwortlich, europaweit die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eine gemeinsame Beschaffung von Waffensystemen, militärischem Material und gemeinsame Forschung vereinfacht und gefördert wird. Des Weiteren werden wir uns explizit mit den Herausforderungen beschäftigen, die der Weltraum mit sich bringt. Wollen wir eine europäische Armee haben, was derzeit sehr unterschiedlich in der EU gesehen wird, müssen wir jetzt konkret den Anfang machen, die immer wichtiger werdende Kooperation auch in die nationalen Parlamente hineinzutragen. Es geht darum, dass die europäischen Länder in militärischen Fragen enger kooperieren müssen. Ich bin der Meinung, dass wir sukzessiv, parallel zu den nationalen Armeen, eine europäische Armee aufbauen sollten, so wie wir es als FDP seit Jahren fordern. Die einzelnen Länder sollen darin ihre besonderen Fähigkeiten einbringen unter Berücksichtigung ihrer geographischen und damit strategischen Lage. Durch eine engere Kooperation und Integration der verschiedenen Waffensysteme, könnten europäische Staaten schneller und koordinierter auf Bedrohungen reagieren, was die strategische Autonomie der EU erhöhen und ihre Abhängigkeit von externen Partnern verringern würde.

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