Stichwahl in der Türkei
Menschenrechte
24.5.23

Stichwahl in der Türkei

Die bevorstehende Stichwahl bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei markiert für uns Europäer:innen ein entscheidendes Momentum, sowohl für die Türkei selbst, aber auch für die Zukunft der Zusammenarbeit und Anbindung Europas und der NATO. Aus meiner Perspektive steht die Türkei an einem Scheideweg, bei dem die Türkei vor der Wahl zwischen einem liberalen oder autoritären Kurs steht.

Für die Türkei ist die Präsidentschaftswahl zweifellos eine Schicksalswahl. Sie stehen vor großen Herausforderungen in Bezug auf Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die Stichwahl wird darüber entscheiden, ob die Türkei den Weg hin zu einer offenen Gesellschaft, in der individuelle Freiheiten geschützt sind, einschlagen oder sich weiter in Richtung einer autoritären Herrschaft entwickeln wird. Eine starke demokratische Stimme in der Türkei kann dazu beitragen, Pluralismus zu fördern und eine inklusive Gesellschaft aufzubauen, in der alle Bürger:innen ihre Rechte und Freiheiten leben können.

Für Europa und die NATO spielt die Türkei eine bedeutende Rolle in der geopolitischen Landschaft. Eine Türkei, die sich stärker Richtung Europa und Westen orientiert, wäre ein wertvoller Partner, der gemeinsame Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit teilt. Eine solche Türkei würde die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Kultur stärken und eine Brücke zwischen dem Westen und dem Nahen Osten schlagen. Andererseits könnte eine fortgesetzte autoritäre Entwicklung in der Türkei zu Spannungen und Uneinigkeit führen, was sich negativ auf die Beziehungen zu Europa und der NATO auswirken würde.

Zudem dürfen wir dabei die entscheidende Rolle der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht übersehen. Die Türkei beherbergt bereits Millionen von Flüchtlingen und trägt eine enorme Last. Um die Migrationsströme zu kontrollieren und zu verhindern, dass sich Flüchtlinge auf lebensgefährliche Routen begeben, ist eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei von entscheidender Bedeutung. Wir sollten eine ausgewogene und respektvolle Partnerschaft fortführen, die aber neben den gemeinsamen Interessen auch den Schutz der Menschenrechte im Blick behält. Die EU sollte die Türkei weiter unterstützen und finanziell entlasten, um die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in der Region zu erleichtern.

Bei der bevorstehenden Stichwahl geht es nicht nur um die Wahl einer Person, sondern auch um die Richtung, die die Türkei einschlagen wird. Eine Orientierung gen Westen würde den Weg zu einer offenen und pluralistischen Gesellschaft in der Türkei ebnen, in der Meinungsfreiheit und individuelle Rechte respektiert würden. Ein autoritärer Kurs hingegen würde die Macht konzentrieren und möglicherweise die Grundlagen der Demokratie untergraben. Es ist entscheidend, dass wir, die Bürger:innen der Türkei, die Bedeutung dieser Wahl erkennen und ihre Stimme für einen Kurs abgeben, der auf Freiheit, Toleranz und dem Schutz der Menschenrechte basiert.

Auffällig ist, dass insbesondere viele der in Deutschland lebenden Türken für den amtierenden Präsidenten und damit für eine weitere autoritäre Entwicklung gestimmt haben. Ich nehme diese Entwicklung persönlich mit großer Sorge wahr und kann nur appellieren, dass diejenigen Deutschtürk:innen, die in einer liberalen Demokratie leben, auch für diese Werte für die Türkei eintreten.

Es bleibt die Hoffnung, dass die türkischen Wähler:innen am Sonntag ihre Stimme für einen Neuanfang abgeben. Für eine Türkei der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit. Damit wäre auch der Weg bereitet, um die europäisch-türkische Partnerschaft wieder zu vertiefen und auf Grundlage gemeinsamer Interessen und Werte eine gemeinsame erfolgreiche Zukunft zu erreichen.

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